Verhandeln ist Bestandteil unseres beruflichen Alltags. Egal, ob es um Preisverhandlungen zwischen Einkäufern und Verkäufern geht, oder um Verbesserungsvorschläge innerhalb einer Abteilung, Projektarbeit usw.. Jeder verhandelt irgendwann irgendetwas mit irgendjemandem. Denn Verhandlungen finden immer dann statt, wenn zwei oder mehrere Parteien eine Lösung zu einer Sachlage finden müssen oder wollen, zu der sie unterschiedliche Meinungen haben. Doch warum verlaufen viele Verhandlungen so schwierig oder scheitern sogar, wenn es doch so ein alltäglicher Vorgang ist? Vielleicht liegt es daran, dass wir oft schon allein bei den Gedanken an Verhandlungen in ein schematisiertes Denken und Handeln verfallen. Allzu oft verbinden wir mit dem Begriff Verhandlung zeitgleich Begriffe wie
- Die Gegenseite
- Der Gegner/die Anderen
- Sieger und Gewinner
- Manipulation
- Konflikte
Anscheinend sind wir es gewohnt, dass unsere Haltung zu Verhandlungen stark mit Begriffen aus der Kampfsprache durchsetzt ist. So kommt es, dass ein alltäglicher Vorgang zu einem Prozess wird, der anscheinend sehr gefährlich und konflikthaltig ist. Um nun in diesem bestehen zu können, man muss ja sein Gesicht wahren, werden nun Techniken und Taktiken erlernt, um als Sieger aus der Verhandlung herauszugehen. Auch wenn es dazu nötig ist, den anderen zu täuschen, zu manipulieren, zu drohen oder was auch immer sonst angebracht scheint. Aber auf Dauer stellt man fest, dass diese Art der Verhandlungsführung nicht gerade geeignet ist, eine langfristige Beziehung zwischen den Verhandlungspartnern aufzubauen. Doch gerade heute, in Zeiten zunehmender Konzentration, ist eine langfristige Zusammenarbeit eines der wichtigsten Ziele in Geschäftsbeziehungen geworden. Einen Weg zu einer anderen, besseren Art der Verhandlungsführung geht die Methode des sachgerechten Verhandelns. Hier stehen nicht die Positionen der beiden Parteien, sondern die gemeinsamen Interessen im Vordergrund. Hier wird Verhandlung definiert als: "... eine Kommunikation zwischen zwei oder mehreren Parteien, mit dem Ziel eine gemeinsame Lösung zu erreichen, nicht nur bei gleichen, sondern auch bei gegensätzlichen Interessen." Dieses ist durch traditionelle Verhandlungskonzepte (weich oder hart) eher nicht zu erreichen, da hier der Erfolg sehr oft auf Druck und Nachgeben beruht. Beim sachgerechten Verhandeln ist man sich bewusst, dass vier Bausteine jede Verhandlung beeinflussen:
Menschen sind emotional gesteuert, ob sie wollen oder nicht. D.h. sie wollen anerkannt werden, sich wohl fühlen.
Hinter jeder festen Position verbergen sich Interessen, Erwartungen, Zwänge, Bedürfnisse. Diese gilt es durch Fragen herauszufinden, denn wenn man diese entdeckt, entstehen oft Alternativen, die durch bloßes Feilschen um Positionen blockiert werden.
Vor der Entscheidung verschiedene Alternativen entwickeln, um die wirklich beste Lösung zu entdecken. Also eine Abkehr von "Entweder wir machen es so, oder..."-Lösungen.
Eine Entscheidung sollte aufgrund möglichst vieler objektiver Kriterien, die eine Bewertung des gewählten Lösungswegs ermöglichen, gefällt werden.
Die folgende Abbildung verdeutlicht die Vorgehensweise beim sachgerechten Verhandeln.
Weich | Hart | Sachgerecht |
Verhandlungsteilnehmer sind Freunde | Verhandlungsteilnehmer sind Gegner | Verhandlungsteilnehmer sind Problemlöser |
Ziel: Übereinkunft mit der Gegenseite | Ziel: Sieg über die Gegenseite | Ziel: vernünftiges, effizient und gütlich erreichtes Ergebnis |
Konzessionen werden zur Verbesserung der Beziehung gemacht | Konzessionen werden als Voraussetzung der Beziehung eingefordert | Menschen und Probleme werden getrennt behandelt |
Weiche Einstellung zu Menschen und Problemen | Harte Einstellung zu Menschen und Problemen | Weich zu den Menschenaber hart in der Sache |
Bereitwillige Änderung der Positionen | Beharren auf Positionen | Konzentration auf Interessen, nicht auf Positionen |
Angebote werden unterbreitet | Drohungen erfolgen | Interessen erkunden |
Einseitige Zugeständnisse werden um der Übereinkunft willen gemacht | Einseitige Vorteile werden als Preis für die Übereinkunft gefordert | Möglichkeiten für gegenseitigen Nutzen suchen |
Suche nach der einzigen Antwort, die alle akzeptieren | Such nach der einzigen Antwort, die ich akzeptiere | Unterschiedliche Wahlmöglichkeiten suchen, dann erst entscheiden |
Bestehen auf einer Übereinkunft | Bestehen auf meiner Übereinkunft | Bestehen auf objektiven Kriterien |
Willenskämpfe werden vermieden | Willenskämpfe müssen gewonnen werden | Ergebnis unabhängig vom jeweiligen Willen zu erreichen suchen |
Starkem Druck wird nachgegeben | Starker Druck wird ausgeübt | Vernunft anwenden und der Vernunft gegenüber offen sein; nur sachlichen Argumenten und nicht irgendeinem Druck nachgeben |
Aus: Das Harvard-Konzept, R.Fisher,W.Ury
Das Ziel des sachgerechten Verhandelns ist es eine Lösung zu finden, von der alle Verhandlungsparteien profitieren. So ist die Gestaltung von dauerhaften Geschäftsbeziehungen mit beiderseitigem Nutzen möglich.
Dirk Richter 05/2001